Katholische
Schule in atheistischer Gesellschaft:
eine
pastorale Herausforderung.
Das
St. Benno-Gymnasium stellt sich.
Vortrag am
19.9.2001 in Freising
Vollversammlung
des Katholische Schulwerks in Bayern
P. Frido
Pflüger SJ, Dresden
Lassen Sie
mich dieses komplexe Thema mit einer kurzen Geschichte beginnen, die uns Martin
Buber aufgezeichnet hat:
„Rabbi Aaron
kam einst in die Stadt, in der der kleine Mordechai, der nachmalige Rabbi von
Lechowitz, aufwuchs. Dessen Vater brachte ihm den Knaben und klagte, dass er im
Lernen keine Ausdauer habe. „Lasst ihn mir eine Weile hier”, sagte Rabbi Aaron.
Als er mit
dem kleinen Mordechai allein war, bettete er das Kind an sein Herz. Schweigend
hielt er es am Herzen, bis sein Vater kam. „Ich habe ihm ins Gewissen geredet”,
sagte er, „hinfort wird es ihm an Ausdauer nicht fehlen”.
Wenn der
Rabbi von Lechowitz, dem diese Erfahrung als Mordechai zuteil wurde, diese
Begebenheit erzählte, fügte er hinzu: „Damals habe ich gelernt, wie man Menschen
bekehrt”.”
Ich habe
diese Geschichte ausgewählt, damit der Kern unsere Arbeit in den katholischen
Schulen gleich benannt wird. Schulen sind sehr stark strukturiert und haben oft
eine von außen, vom Staat, vorgegebene Aufgabe, und wir halten uns da ja oft
sehr genau daran, fast zu genau. Damit kann man sich sehr intensiv beschäftigen,
kann voll darin aufgehen, aber eine katholische Schule hat man damit noch nicht.
Solch eine Schule kann sogar ein sehr gutes Programm oder katholisches
Schulprofil haben. Aber erst durch den Lehrer, der weiß, wie man Menschen
bekehrt, wird sie katholisch.
Ich möchte
in meinem Vortrag zuerst meine Auffassung von katholischer Schule und der
speziellen Rolle des Lehrers darstellen, im zweiten Teil werde ich kurz das St.
Benno-Gymnasium in Dresden vorstellen als eine Schule in einem atheistischen
Umfeld, und im dritten Teil werde ich Ihnen viele Elemente vorstellen, wie wir
mit den Lehrern unserer Schule an der zentralen Aufgabe arbeiten, an der
Persönlichkeitsentwicklung der Schüler. Wenn die Vermittlung von Glaube und
Religion im Kontext unserer Kultur gelingen soll, dann müssen wir langfristig
und prozessorientiert mit den Schülern an ihrer Persönlichkeit
arbeiten.
Zu meiner
Person: Ich bin seit 1966 Jesuit, Priester seit 1976. Gegen meinen Willen und
aus reinem Gehorsam bin ich 1971 von meinem Provinzial zum Magisterium in unsere
Jesuitenschule in St. Blasien geschickt worden; ich durfte dort aber so gute
Erfahrungen machen, dass ich nach der Theologie Mathematik und Physik studieren
wollte, um Lehrer in St. Blasien zu werden. Seit 1992 bin ich in Dresden, was
für mich eine völlig neue Welt bedeutet, die durch die politische Wende möglich
wurde. Wir haben dort seit 1991 eine katholische Schule in einer atheistischen
Stadt, in der die Menschen mit einer solchen Selbstverständlichkeit religionslos
sind, dass die Rede von der Sehnsucht des Menschen nach einer tieferen Dimension
des Lebens fast sinnlos erscheint. Und mit einem bangen Gefühl sind viele in
Westeuropa überzeugt, dass dies überall so kommen wird. Also müssen wir uns ganz
deutlich machen, was wir mit unseren katholischen Schulen wollen.
I.
Schule ist Aufgabe der Kirche
Die Kirche
ist keine aus dieser Welt herausgenommene Gruppe von Menschen, die nur in den
Kategorien des Jenseits denken, sondern die den Auftrag haben, den Glauben und
das Heil, das sie erfahren haben, auch den anderen Menschen zu verkünden, und
die auch versuchen, aus ihrer Sicht die Welt, in der sie leben, zu gestalten.
Dazu gehört ganz wesentlich der Erziehungsbereich, der dann auch aus dieser
christlichen Weltsicht heraus zu gestalten ist.
Natürlich
ist ganz klar, dass die christl. Schule im Erziehungswesen zunächst genau
dieselben Aufgaben hat wie jede andere Schule – darüber will ich heute nicht
reden - , und dass sie das sehr gut erfüllen muss, weil sie sonst ihren
religiösen Auftrag gar nicht glaubhaft erfüllen kann. In der Vermittlung des
Wissens, das zur Bewältigung des Lebens heute in der so komplexen modernen
Gesellschaft nötig ist, kann und darf die christliche Schule nicht hinter
anderen Schulen zurückstehen. Die
kath. Schule ist damit nichts Herausgehobenes, Auffälliges, oder gar Exotisches,
das es ja im privaten Schulbereich auch gibt; sie ist eine normale Schule wie
andere auch, die ihre Aufgabe gut zu erfüllen suchen.
Wenn dies
alles wäre, so ist nicht einzusehen, warum die Kirche eigene Schulen unterhält
und jede ausgegebene Mark wäre verschleudertes Geld.
Was zeichnet
eine katholische Schule aus?
Es ist die
Grundausrichtung auf das Evangelium, die eine christliche Schule von anderen
unterscheidet. Sie hat also ein inneres Zentrum. Aufgrund ihrer Ausrichtung auf
das Evangelium kann sich die katholische Schule dadurch auszeichnen, dass die
Weltsicht, das Menschenverständnis, die Lebenseinstellungen, die
Wertvorstellungen als größere Einheit den Kindern und Jugendlichen sowohl im
Unterricht als auch in anderen schulischen Veranstaltungen vorgelebt werden, und
dass dies vor allem in der Art und Weise des Zusammenlebens von Schülern,
Lehrern und Eltern zum Ausdruck kommen muss.
Etwas weiter
ausgeführt heißt dies, dass die kath. Schule aufgrund der christlichen Weltsicht
geprägt sein muss durch ein ganzheitliches Bildungsideal, in dem neben einer
gründlichen und soliden intellektuellen Ausbildung auch das Ethische, das
Kreative, das Musische, das Emotionale im Menschen gefördert wird. Es geht also
um die Entfaltung einer ausgewogenen Persönlichkeit. Jeder einzelne soll sich
als Glied der menschlichen Gemeinschaft verstehen, die von Achtung voreinander,
Verantwortung füreinander und Hilfsbereitschaft geprägt ist. Die Grundlage für
diese Sicht ist nach christlicher Auffassung darin gegründet, dass Gott jeden
Menschen nach seinem Bild geschaffen hat und ihm dadurch eine absolute und nicht
verlierbare Würde gegeben hat.
Wir leben
nun in einer Zeit, in der wir immer stärker mit ganz isolierten Teilbereichen
des Wissens konfrontiert werden, und somit die Bildung einer fundierten
Weltanschauung immer schwieriger wird; obwohl die Freiheit als ein sehr hohes
Gut betrachtet wird, werden immer mehr Menschen vom Sog der Massenkultur
mitgerissen. Die sich immer weiter ausbreitende materialistische
Lebenseinstellung geht auf Kosten der wirklich menschlichen Werte; Auflösung der
Familie, fehlende Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, Ausnützen aller
Situationen für den persönlichen Vorteil, sofortige Bedürfnisbefriedigung,
rücksichtsloser Umgang, Zunahme der Gewaltbereitschaft und Missachtung des
Lebens, wie wir es ja gerade vor ein paar Tagen am 11. September so brutal
erfahren mussten. Das sollen nur einige Stichpunkte sein. Wenn diese
Erscheinungen zunehmen, wird es immer schwieriger werden, in einer Gesellschaft
menschlich und würdig miteinander zusammenzuleben.
Diese
Fragestellungen gehen ja nicht an den jungen Leuten vorbei, sondern sie sind
mitten hineinverwickelt in ihr Leben. Dazu kommt die spezielle Situation der
Jugendlichen in diesem schulischen Alter: die Suche nach der eigenen Identität:
wer bin ich überhaupt? was will ich? was soll ich mit meinem Leben? Soll das, was die Erwachsenen mir
vorleben, das sein, was mir bevorsteht? Es ist eine Zeit, in der das moralische
Bewusstsein der Jugendlichen eigentlich sehr stark ausgeprägt ist. Es ist die
Zeit der beginnenden Partnerschaft mit all den dazugehörenden Verunsicherungen,
die Zeit, in der man anfängt seine Freiheit zu leben und selbst bestimmen zu
wollen, und es ist auch die Zeit der ersten Erfahrungen des Scheiterns und damit
der Selbstzweifel.
In dieser
Situation kann ein christlicher Orientierungsrahmen, der weit genug ist, diese
Probleme zu umfassen, für Jugendliche sehr hilfreich sein, erstens weil er
meiner Überzeugung nach wirklich Sinn und Werte zu bieten hat, und zweitens weil
er diese dem Jugendlichen nicht überstülpt, sondern ihn total ernst nimmt.
Ich möchte
diese Dinge noch etwas entfalten:
1. Wenn wir
eine christliche Schule betreiben, geht es uns einzig und allein um einen
Dienst, den wir jungen Menschen anbieten wollen. Dabei müssen wir angesteckt
sein von einem Geist, der uns nicht ausruhen lässt auf unserem gute Ruf, sondern
der uns immer wieder antreibt, den jungen Menschen, mit denen wir es zu tun
haben, in Zuneigung, Achtung und Verantwortung gerecht zu werden und ihnen Wege
zu erfülltem Leben in guter (Mit-)Menschlichkeit aufzuzeigen. Sie muss also für
die Jugendlichen wertvoller Lebensraum werden, in dem es sich lohnt, so viele
Jahre seines Lebens zu verbringen.
2.
Persönliche Entscheidungsfähigkeit und Lebensgestaltung setzen Selbstvertrauen,
Selbstbeherrschung, Verantwortungsfreude, Bereitschaft zum Verzicht voraus. Eine Erziehung zu diesem Ziel
geht von der Achtung vor der Persönlichkeit des jungen Menschen aus und
unterstützt positive Initiativen und verantwortungsvolles Handeln. Kreativität kann sich nur entwickeln in
einer ungezwungenen, anregenden und wohlwollenden Atmosphäre, in der die Schüler
schon früh auch eigene Entscheidungen fällen dürfen. Das hat zur Folge, dass die
Schüler einer kath. Schule in einem guten Maß an der Gestaltung beteiligt sein
müssen, d.h. auch in den Entscheidungsgremien vertreten sein müssen. Auch hier
ist also wieder Voraussetzung der Respekt voreinander und des Vertrauens
ineinander. In solchem Klima kann
auch der Schüler zu Annahme seiner selbst ermutigt werden, zur Erkenntnis und
Bejahung seiner Begabungen und seiner Grenzen.
3.
Menschliche Fähigkeiten entfalten sich in der Gemeinschaft und sind uns auch zum
Dienst an der Gemeinschaft geschenkt.
Daher haben alle gemeinschaftlichen Unternehmungen als Klasse oder im
religiösen, musischen oder
sportlichen Bereich einen hohen Stellenwert und zählen nicht nur einfach als
zusätzliche Maßnahmen, um die Schule attraktiv zu machen.
4. Eine
kath. Schule ist über die fachlich und sozial gute Ausbildung hinaus um das Heil
des jungen Menschen besorgt und bietet als Weg zum Heil die Botschaft des
Evangeliums an, mit der eine ernsthafte Auseinandersetzung erwartet wird. Dieser
Weg wird vor allem durch die Grundhaltungen, die oben beschrieben worden sind,
deutlich. Er muss von den Lehrern überzeugend vorgelebt werden. Reflektiert wird
er z.B. im Religionsunterricht, in Gesprächen, in Gruppen, oder auch bei
Schulgottesdiensten, die zum gemeinschaftlichen Leben einer solchen Schule
wesentlich dazugehören.
Ich will
dies alles nun etwas erläutern am konkreten Beispiel meiner Schule, des St.
Benno-Gymnasiums in Dresden
II.
Das St. Benno-Gymnasium
1.
Geschichte
Der Ursprung
unserer Schule im Jahr 1709 ist aus heutiger Sicht ganz lustig: Der sächsische
Kurfürst August der Starke wurde im Jahr 1697 katholisch, damit er König von
Polen werden konnte. Als anständiger katholischer König baute er sich eine
Hofkirche, die natürlich mit Sängerknaben zu besetzen war. Im protestantischen
Sachsen fand er diese aber nicht, und so schickte er den Jesuiten P. Broggio zur
Werbung nach Böhmen. Mit 9 böhmischen Jungen konnte die Lateinschule der
Kapellknaben eröffnet werden - das sind die Wurzeln des heutigen St.
Benno-Gymnasiums.
1939 wurde
die Schule von den Nationalsozialisten geschlossen
1990
entstand eine Initiative von Eltern und ehemaligen Schülern, die den
Diözesanbischof Joachim Reinelt überzeugen konnte, die Schule wieder zu gründen.
Dies geschah schon 1991. Niemals hätte sich unser Bischof darauf einlassen
können, wenn er nicht die großherzige Zusage von Ihnen, Herr Kardinal erhalten
hätte; und wir sind uns alle nach wie vor sehr bewusst und dankbar, dass es ohne
diese Hilfe des Erzbistums München diese Schule so nicht gäbe. Spannende Jahre
sind mittlerweile vergangen, in denen wir aus dem Nichts heraus eine Schule
hervorgebracht haben, die sich einen sehr guten Namen in dieser Stadt erarbeiten
konnte: ein 8-jähriges Gymnasium mit 60 LehrerInnen aus Ost und West, Süd
und Nord (Durchschnittsalter 37 Jahre), und 770
SchülerInnen.
2. Unser
Schulhaus
Im August
1996 konnten wir in einen herrlichen Neubau einziehen. Das vom bekannten
Architekten Günther Behnisch erbaute Schulgebäude war in kurzer Zeit sehr
berühmt, was die große Zahl der Besucher bis heute zeigt. Es gehört zu den
modernsten und gelungensten Gebäuden Dresdens. Der Architekt sagte uns einmal:
„Durch die Schönheit des Hauses möchte ich den Bewohnern meine Wertschätzung
ausdrücken”. Und das trifft sich gut mit einem der wichtigsten Grundsätze
christlichen Glaubens, der die Erziehungsarbeit in unserem Haus auch prägen
muss: Jeder Mensch besitzt als Geschöpf und Abbild Gottes eine unverlierbare
Würde und Schönheit. In diesem Haus sollen junge Menschen durch unseren Umgang
mit ihnen erfahren dürfen, dass sie unendlich wertvoll sind, dass sie Menschen
sind, die offen und ohne Angst, einfühlsam und aufmerksam für ihre Mitmenschen,
hilfsbereit und gleichzeitig selbstbewusst und aufrecht dieses Haus beleben
dürfen. Die Offenheit, Weite, Freundlichkeit, Empfindsamkeit, Wärme und
Helligkeit dieses Hauses spiegelt wieder, was für uns christliche Erziehung
heißt. So kommt in dieser atheistischen Stadt durch die Architektur unsere
Botschaft sichtbar zum Ausdruck.
3. Eine
katholische Schule in atheistischer Umgebung
Unser Ziel
ist einerseits, junge Menschen sehr gut auszubilden, damit sie die Zukunft mit
den anstehenden Problemen bewältigen können, andererseits diesen jungen Menschen
bei der Entwicklung ihres Charakters und ihrer Persönlichkeit zu helfen, damit
sie als aufrechte, unbestechliche und für die Gemeinschaft engagierte Menschen
unsere Schule verlassen. Die Begegnung mit dem christlichen Glauben soll ihnen
dabei Lebenssicherheit, gesundes Selbstbewusstsein und Wertorientierung geben.
Dies ist ganz besonders wichtig in den neuen Bundesländern, in denen ja religiös
eine besondere Situation herrscht.
Der
ostdeutsche Theologe Eberhard Tiefensee nennt Ostdeutschland ein Missionsland
mit stabilem areligiösen Milieu, das hochresistent ist für Missionsbemühungen
(auch für die Sekten). Die Dresdner Professorin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
berichtet von einer Umfrage über die Bedeutung von Weihnachten, nach der die
Hälfte der Ostdeutschen meint, dass die Weihnachtsgeschichte in Grimms Märchen
stehe.
Nach neueren
Untersuchung[1]
von Zulehner und Tomka sind in den neuen Bundesländern 5% katholische, 20 %
protestantische und 2 % sonstige Kirchenmitglieder. 73 % sind konfessionslos.
Der Pastoraltheologe Prof. Zulehner, der die Untersuchungen leitete, sagt[2]:
„Es ist schon spannend für die Deutschen, dass sie in einem Land leben, wo in
einem großen Teil eine atheistische Kultur herrscht. Das wird Deutschland in den
nächsten Jahren noch massive kulturpolitische Probleme bescheren.” In einigen
Ländern in Ost-Mittel-Europa gibt es positive religiöse Entwicklungen; nach
Zulehners Untersuchungen gibt es diese gerade nicht in Ostdeutschland und
Tschechien: „Leider sind diese beiden Gebiete wieder die Ausnahme. Dort sagen
die Leute mehrheitlich, die Religion werde weiter abnehmen. Das ist der Effekt
der ‘atheistischen Massenkirche’. Deshalb rate ich der katholischen oder
evangelischen Kirche wo ich kann, sie solle nicht zur ‘kleinen Herde’ werden,
weil die Volkskirche eben auch einen kulturellen Sog erzeugt, der den Kirchen
das Arbeiten wesentlich leichter macht.”
In fast
allen von Zulehner untersuchten Ländern wird für die kommenden Jahre ein
religiöser Aufschwung erwartet. Nur in Ostdeutschland (am stärksten), Polen,
Rumänien und Tschechien wird eine Abnahme der Religiosität erwartet[3].
Zulehner berichtet[4]
von einer laufenden Studie bei Pfarrern in Wien, wo 75 % der Pfarrer sagen, dass
sich die Situation der Kirche in den nächsten 10 Jahren nicht verbessern wird.
Zulehner vermutet, dass durch diese Einstellung der offiziellen Mitarbeiter
keine positiven Energien für eine tatsächliche Verbesserung freigesetzt werden.
Woher soll aber dann eine Wende kommen? Diese Grundeinstellung scheint die in
Westeuropa vorherrschende zu sein. Ich hoffe sehr, dass wir, die wir uns für das
katholische Schulwesen einsetzen, mit größerem Optimismus arbeiten können.
Wir müssen
nämlich dem Sog dieser atheistischen Massenkirche entgegenwirken. Wir können
dies nur tun, wenn wir auch an den entscheidenden Stellen mitarbeiten und unsere
Präsenz zeigen. Dazu gehört auch, dass wir natürliche Raume schaffen für die
jungen Leute, wo sie in großer Selbstverständlichkeit Christ sein können und
sich nicht in einem ständigen Abwehrkampf befinden. Als christliche Schule und
damit als Teil der Kirche sind wir auf natürliche Weise im Umfeld der
Jugendlichen und damit ihrer gesamten Familie präsent.
Es ist doch
eine große Chance für uns, dass das Interesse an Fragen nach Glaube, Gott und
Kirche gerade bei den jüngeren Altersgruppen am höchsten ist[5],
und dass in allen untersuchten Ländern Osteuropas 81 % der bis-19-Jährigen sich
als nichtatheistisch[6]
bezeichnen. Natürlich konstruieren sich die Menschen heute ihre Religion häufig
selber, und kirchliche Pauschalangebote sind nicht so beliebt. So ist das
Gottesbild auch für Gläubige sehr gesichtslos; nur für 17 % der Nichtatheisten
(in Deutschland) ist Gott Ansprechpartner. Sogar unter den regelmäßigen
Kirchgängern glauben nur noch 1/3 an Gott als persönliches Gegenüber[7]
Und trotz der großen Offenheit für den Glauben meint jeder zweite, dass die
Kirche für die entscheidenden Fragen und Probleme des Lebens keine Antwort habe.
Andererseits zeigen Umfragen, dass konfessionslose Personen sehr stark religiöse
Rituale bei Geburt, Tode, Eheschließung wünschen. Hierher gehört auch, dass in
Sachsen etwa 70 % aller Jugendlichen an der Jugendweihe teilnehmen, die ja
früher ganz stark mit dem kommunistischen Staat verkoppelt
war.
Dies alles
ist doch eine tolle Herausforderung für unsere Arbeit in den Schulen; so sagten auch 98,5 % unserer Eltern bei
einer Umfrage, dass ihnen die Erziehung im christlichen Geist wichtig ist, und
85,8 %, dass christliche Werte vorgelebt werden. Sogar bei den konfessionslosen
Eltern sagen 44,4%, dass ihnen die Vermittlung christlicher Werte wichtig
ist.
Ich zitiere
aus dem Brief einer konfessionslosen Familie an mich: „Ich erinnere mich noch
genau an den Eröffnungsgottesdienst ... . Diese festliche Atmosphäre, aber auch
diese Wärme und Herzlichkeit, mit der wir – ich schreibe betont wir ... – in die
Schulgemeinschaft aufgenommen wurden. Für uns war vieles neu, da wir zu den
Eltern gehören, die von Haus aus keiner Religionsgemeinschaft angehören. Es was
vieles neu und wohltuend. ... Wir haben auch diese Schule gewählt, um unserem
Sohn die Möglichkeit zu geben, Religion nicht nur als Unterrichtsfach zu erleben
(das könnte er ja an jeder Schule), sondern Christentum und –brauch auch zu
erleben, zu erleben von Menschen, die hinter dem Glauben stehen, in ihm leben.
Erstmals haben wir dadurch bewusst „Neues“ von unserem Kind erleben und
vermittelt bekommen.“
Es ist uns
wichtig, dass wir als christliche Schule und damit als Teil der Kirche in diesem
Umfeld präsent sind. Wir erleben mit unserer Schule keine antikirchlichen
Befindlichkeiten, viel eher eine Offenheit, ein sich Wundern, dass diese
konservative Kirche eine so moderne Schule macht, die einen solchen Zulauf hat,
und teilweise erleben wir auch die Suche nach neuen Grundlagen des Lebens. So
muss unsere Schule offen sein für die Menschen, die von Kirche und Religion
keine Ahnung haben. Unser Bischof betont daher auch immer wieder, dass wir
genügend Plätze für konfessionslose SchülerInnen frei halten sollen, um ihnen
die Chance des Kennenlernens zu geben.
III.
Persönlichkeitsbildung als pädagogische Herausforderung der katholischen
Schule
1.
Schule und Persönlichkeitsbildung
Was unsere
Gesellschaft dringend braucht, sind Menschen mit Charakter. Wir müssen die
jungen Menschen auf dem Weg zu einer starken Persönlichkeit unterstützen. Die
„ganzheitliche Persönlichkeitsbildung” ist eine Leitlinie unserer Schule.
Als Schule
leben wir nicht auf einer Insel, sondern mitten im Umbruch unserer Gesellschaft.
Schule muss Kinder und Jugendliche befähigen, in einer sich ständig wandelnden
Umwelt zu bestehen und für sich zu klären, wofür es sich zu leben lohnt. Heute
sind einheitliche Meinungs- und
Handlungsmuster kaum mehr möglich; unterschiedliche Ansichten, Positionen und
Lebensorientierungen stehen nahezu gleichwertig nebeneinander. Der Einzelne muss
sich aus einem pluralistischen Sinn- und Werteangebot den für sein Leben
relevanten Cocktail an Selbstverständnis, Weltanschauung, Wertorientierung,
Gesellschaftsbild selbst zusammenstellen. Der Raum, in dem Jugendliche
aufwachsen, ist durch neue Eckpunkte abgesteckt: Globalisierung, Beschleunigung,
Flexibilität, Mobilität, Pluralisierung, Individualisierung sind solche
Eckpunkte. Die Herausforderungen sind vielfältiger und größer geworden und
stellen eine große Belastung für viele Menschen dar; dies beginnt bereits
während der Schulzeit. Ein für mich beängstigendes Symptom ist die Zunahme der
psychischen Erkrankungen bei SchülerInnen, speziell von Depressionen, und die
Zunahme des Drogenkonsums.
Um für die
Herausforderungen des Lebens gewappnet zu sein, braucht der Einzelne mehr als
einen guten Schulabschluss. Gute Noten stärken nicht zwangsläufig ein gesundes
Selbst-Bewusstsein, sie verleihen nicht aus sich heraus Ichstärke und
Professionalität. Erst wirkliche Persönlichkeiten sind den Herausforderungen und
Unwägbarkeiten des 21. Jahrhunderts gewachsen. Erst eine gesunde und gefestigte
Persönlichkeit bewahrt einen Menschen davor, wie ein Blatt dem Wind ausgeliefert
zu sein. Gerade dann, wenn die Gesellschaft immer weniger Orientierung gibt.
Damit wir
diese Aufgabe auch bewältigen können, haben wir die Stelle eines Pädagogischen
Leiters geschaffen, der als weiterer Stellvertretender Schulleiter für die
Koordination und die Entwicklung der pädagogischen Programme und Ideen zuständig
ist.
2.
Persönlichkeit und Wertorientierung
Wenn wir die
Persönlichkeitsbildung als Zentrum unserer Arbeit haben, dann muss gleichzeitig
von Wertorientierung gesprochen
werden, denn falsch verstandene Stärkung der Persönlichkeit könnte auch zu einer
Form des Egoismus führen.
Wir wollen
junge Menschen darin fördern, sich nicht einfach der Masse anzupassen, sondern
auch in Widerspruch dazu gehen zu können: Erziehung zur Widerspenstigkeit. Aber
gerade dann ist die Wertorientierung notwendig. Eine gesunde Persönlichkeit ist
gemeinschaftsfähig und kann sich auch als Teil eines Ganzen in die Gemeinschaft
einordnen. Sie kann daher auch eigene Bedürfnisse und Interessen zugunsten der
gesamten Gruppe zurückstellen.
Neben der
Vermittlung von Wissen und Lernstoff
wollen wir also persönlichkeitsbildende Schlüsselqualifikationen
vermitteln, die junge Menschen für das Leben brauchen. Wir wissen nicht, wie die
Lebenswirklichkeit in 20 oder 30 Jahren sein wird. Manches Einzelwissen mag
schnell veraltet sein, Persönlichkeit nicht!
Wie setzen
wir nun aber unsere Anliegen konkret an unserer Schule um?
3.
Wege der Persönlichkeitsbildung am St. Benno-Gymnasium
3.1. Im
Unterricht
Der
Unterricht ist der zunächst ganz natürliche Ort der Persönlichkeitsbildung durch
den Lehrer. Täglich ist er im Kontakt mit seinen Schülern, oft über viele Jahre
hinweg. Das ist auch das unterscheidende Merkmal zu jeder anderen Form der
Jugendarbeit: Die Schüler kommen jahrelang jeden Tag viele Stunden zu uns. Wir
müssen ihnen nicht nachlaufen, sie nicht suchen und werben; und wir müssen uns
auch kein Thema mit ihnen suchen, denn die Lehrpläne sind uns vorgegeben; vor
allem haben wir nicht als Thema unsere Beziehung und uns selber. Dies ist sehr
entlastend, weil wir miteinander an einer Sache arbeiten können über lange Zeit
hinweg. Und da kann sich vieles zeigen und entwickeln. Zuneigung und
gegenseitige Achtung, Respekt voreinander, Verantwortung füreinander,
Gerechtigkeit und Solidarität, Verständnis, anständiges Streiten und
intellektuelle Redlichkeit, all dies können wir mit den Schülern viele Jahre
lang einüben, aber zuerst müssen sie es bei uns, ihren Lehrern, sehen können.
Natürlich
muss unser Unterricht geprägt sein durch eine gründliche intellektuelle
Ausbildung und durch einen hohen intellektuellen Anspruch, denn nur sehr gut
ausgebildete junge Menschen können die bedrängenden Probleme, die auf uns
zukommen, in Angriff nehmen – aber dies ist eben nur die eine Hälfte unserer
pädagogischen Arbeit. Durch unsere Art des Arbeiten, des Redens, des Wirkens,
durch unsere persönliche Beziehung zu ihnen prägen wir die jungen Leute. Das ist
uns oft viel zu wenig bewusst, obwohl es so weitreichende Konsequenzen hat.
Befähigen wir die jungen Leute durch unser Unterrichten, dass sie aufrichtige
Menschen sein können und nicht verlogene, dass sie frei ihre Meinung sagen
können, dass sie kritisch mit uns umgehen können, wie wir es ja auch mit ihnen
tun dürfen; befähigen wir sie entschieden genug, dass sie die Frage nach der
Wahrheit stellen und sich nicht mit Rezepten zufrieden geben? Gehen wir mit
ihnen auch die uns bewegenden Fragen an, oder klammern wir sie aus, weil wir ja
bei diesen Fragen auch oft nicht weiter sind als unsere Schüler?
Wenn man
solche Ziele besitzt, dann hat dies unmittelbare Auswirkungen auf das tägliche
Leben in der Schule. Unterricht kann dann nicht primitiv-objektive Vermittlung
sein, sondern wird immer mehr zu
einem Geschehen zwischen Menschen, die sich gegenseitig ernstnehmen und achten.
Der Lehrer muss dabei bereit sein, Stellung zu beziehen, auch dort, wo er seine
Fachkompetenz überschreiten muss, weil seine Schüler wissen wollen, wo er bei
den wichtigen Fragen des Lebens steht. Es gehört zum guten Fachunterricht dazu,
dass ein Lehrer sich mit den ethischen, philosophischen und auch religiösen
Fragen beschäftigt, die sich durch sein Fach ergeben können. Dies bedeutet
natürlich eine große Herausforderung und Aufgabe für den Lehrer und verlangt
ständige Weiterbildung. Er kann sich nicht hinter sein Fach zurückziehen,
sondern er muss den einzelnen jungen Menschen als Person sehen, dem er mit
seinen Möglichkeiten Hilfestellung und Anleitung zu geben hat. Dies kann natürlich nur
geschehen, wenn zwischen beiden auch eine persönliche Beziehung besteht. Der
junge Mensch ist gerade bei der Entfaltung seiner geistigen Fähigkeiten abhängig
von dem, was ihm aus seiner Umgebung geboten wird. Und dabei ist gerade die
gefühlsmäßige Beziehung von großer
Bedeutung.
Wesentlich
erweitert wird die unterrichtliche Aufgabenstellung noch dadurch, dass
angesichts des weltweiten Problems von Armut, Ungerechtigkeit, Unfreiheit und
Unwissen eine umfassende Kenntnis dieser menschenunwürdigen Situation der
Mehrheit der Menschen und die Bereitschaft zu tätiger Abhilfe für alle
unverzichtbar ist. Hier liegt noch ein weites Feld vor uns, das wir noch nicht
entschieden genug angegangen haben. Ansatzweise unterstützen wir seit Jahren
eine Schule in den Slums von Cali / Kolumbien durch die Einnahmen bei allen
Veranstaltungen der Schule (Konzerte, Theater). Auch haben wir uns nach langer
Auseinandersetzung entschieden, dass wir das bekannte Projekt Compassion in
diesem Schuljahr einführen werden. Alle Schüler der 10. Klasse machen ein
Sozialpraktikum, das in den verschiedenen Fächern begleitet wird. Compassion
wird also ein übergeordnetes Unterrichtsprinzip unserer
Schule.
(Zwischenbemerkung: Eine Frage, die sich mir nach all den Jahren des eigenen Unterrichtens und nach sehr vielen Unterrichtsbesuchen, die ich ja auch zu machen habe, ganz massiv stellt, ist die Frage nach der Bedeutung unserer Unterrichtsinhalte. Wir unterrichten junge Menschen in einer vollkommen unübersehbaren Zeit, und ich frage mich, was hat unser Unterrichten mit dem Leben dieser jungen Leute zu tun; was hat es überhaupt mit ihnen zu tun? Ich frage mich dies auf dem Hintergrund der Schulabbrecher, der Unlust an der Schule, die gerade in der Oberstufe zunimmt in den letzten Jahren, der Zunahme der psychischen Erkrankungen. Zur Zeit wird ja auch sehr viel diskutiert in der Öffentlichkeit über Bildung und Erziehung. Der Haupttenor geht aber für mich in eine falsche Richtung. Natürlich sind die Anforderungen des Arbeitsmarktes andere als zu unserer Schulzeit. Und von allen Seiten kommt der Druck, darauf zu reagieren.
Ich wiederhole noch mal die mich bedrängende Frage: Hat das Wissen, das ich vermittle, mit dem Leben der Jungen etwas zu tun? Vermittle ich Daten oder Orientierungswissen, das hilft, das Leben zu meistern.
Hier sehe ich uns Lehrer in ganz entscheidenden Jahren der Jugendlichen an sehr exponierter Stelle. Besprechen wir in den uns zur Verfügung gestellten 8 Jahren die Dinge, die wichtig sind und bedeutsam für das Leben, für unser Leben, für das gemeinsame Leben auf dieser Erde? Sprechen wir von der Liebe und vom Glück, von der Unzufriedenheit und von der Einsamkeit, von der Freude und von der Verantwortung, vom Leid und vom Tod, von der tiefsten Dimension unseres Lebens, dem Glauben? Schwingen diese Themen mit, wenn wir Goethes Faust lesen oder die Gedichte von Günter Kunert oder den Vorleser von Bernhard Schlink. Verstehen unsere Schüler mehr vom Leben nach der Lektüre von Shakespeare oder Vergil? Oder wird nur gelesen und analysiert? Erfahren die Schüler im naturwissensch. Unterricht die Schönheit der Schöpfung und ihre Verläßlichkeit und den ordnenden Geist? Oder werden nur irgendwelche Dinge berechnet? Lassen wir sie die Freiheit und die Mächtigkeit des menschlichen Geistes verspüren in der Mathematik mit ihren abstrakten Konstruktionen oder erschöpfen wir uns mit geistlosen Definitionen? Und in der Geschichte das Ringen der Menschen um menschenwürdige Gesellschaft und die Niederlagen und die Interessenkämpfe?
Das sind die Fragen die mich seit einiger Zeit unruhig machen, wenn ich über Schule nachdenke. Man kann das alles auch anders fassen: es geht um die tiefere Dimension unserer Wirklichkeit, es geht um die Wahrheit.
Wenn man verantwortlich ist für eine Schule dieser Art, wie es das St. Benno-Gymnasium sein will, eine christliche Schule also, dann ist es für mich die größte Sorge, ob wir, die Lehrerinnen und Lehrer dieser Schule es schaffen, diese Dimension zu vermitteln in den vielen Jahren des zusammen Lebens und Arbeitens.)
P. Leo O’Donovan SJ (Präsident der Georgetown University in Washington) schreibt in seinem Artikel „Bildung im Zeitalter der Beschleunigung“ (Stimmen der Zeit, Nr. 4, 2001, S. 233f):
„ Eine Wirtschaft, die kurzfristig Geld verdienen muss, schafft es nicht, für das zu sorgen, was sie langfristig braucht. Deshalb helfen die Schulen und Hochschulen dem Beschäftigungssystem dadurch, dass sie Bildungsinhalte ausweisen, die dem Gedächtnis, der kulturellen Identität und der Erinnerung dienen, die für Kontinuität sorgen. Das Sabbatparadox lehrt, dass Musik-, Kunst- und Literaturunterricht, im Spezialfall sogar Latein und Griechisch langfristig und aufs Ganze gesehen wegen ihrer übernützlichen Potenzen auch der Wirtschaft nützen – vielleicht sogar mehr als die Einführung eines Schulfachs Wirtschaftskunde. Solche Sabbatinhalte, Sabbaträume und Sabbatzeiten brauchen wir an unseren Schulen. Sie sind Inseln der Reflexion und der Selbstentfaltung und machen den Horizont weit. Sie nützen langfristig auch dem Beschäftigungssystem. Vor allem aber nützen sie dem Leben. ... Es gibt ein Wissen, das mehr ist, als das „Wissen um zu“! Kants Formulierung vom „interesselosen Wohlgefallen“ hat mich immer sehr beeindruckt. In der Betrachtung der Dinge, der Natur, nicht um sie zu beherrschen, sondern um sich an ihnen zu erfreuen, spüre ich eine Verwandtschaft mit dem, der sie gemacht hat.“)
3.2.
Beratungsarbeit
Wir haben
für die Beratung der SchülerInnen und Eltern verschiedene Möglichkeiten
geschaffen. Zunächst die Stelle der Beratungslehrerin, bei der es vor allem um
die Schullaufbahnberatung geht. Sie nimmt auch an allen Notenkonferenzen teil
und kann somit auch ihre Gesichtspunkte in die Diskussion einbringen. Der
Schulseelsorger steht für Gespräche in religiösen und Lebensfragen mit
SchülerInnen und Eltern zur Verfügung und ebenso auch die beiden
DrogenberaterInnen. Die KlassenlehrerInnen sind gebeten, den Entwicklungsprozess
ihrer Klassen und ihrer SchülerInnen zu begleiten, Kontakte zu den Eltern
herzustellen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte einzuleiten. Auch der
Pädagogische Leiter ist Ansprechpartner bei Lebens- und Erziehungsfragen junger
Menschen und begleitet Entwicklungsprozesse.
3.3.
Pädagogische Veranstaltungen
Zu den
pädagogischen Veranstaltungen gehören wie an jeder Schule die
Halbjahreskonferenzen, in denen wir Leistungsnoten unserer SchülerInnen nie
losgelöst von ihrem jeweiligen persönlichen Hintergrund betrachten und
beurteilen. Wir haben Beobachtungs- und Beurteilungskriterien ausgearbeitet, die
helfen sollen, die lebensmäßige Situation der SchülerInnen in den Blick zu
fassen und den pädagogischen Charakter dieser Konferenzen zu
sichern.
In den
monatliche Gesamtlehrerkonferenzen nehmen uns die Zeit, um uns mit
organisatorischen und pädagogischen Fragen auseinander zusetzen. Zusätzlich
finden in jedem Schuljahr zwei bis drei zusammenhängende pädagogische Tage für
das gesamte Kollegium statt. Auch während themenbezogener schulinterner
Lehrerfortbildungen für KlassenlehrerInnen oder interessierte Kollegen arbeiten
wir an der Erweiterung unserer pädagogischen und sozialen
Kompetenzen.
Bei den
pädagogischen Tagen der letzten Jahre beschäftigten sich alle Lehrerinnen und
Lehrer in verschiedenen Workshops mit Themen wie Schulkultur und
Kommunikationsstrukturen an unserer Schule, Themenzentrierte Interaktion,
Gestaltung der Morgenkreise und Morgenandachten, Werteerziehung, Einführung von
Freiarbeit an unserer Schule, Einsatz neuer Medien im Unterricht,
Erlebnispädagogik, Neustrukturierung der Stundentafeln in der Sekundarstufe I,
das Compassion-Projekt (Soziales Lernen in Praxis und Fachunterricht).
In vielen
dieser unterschiedlichen Fortbildungsveranstaltungen steht die Förderung der
sozialen Kompetenzen eines Lehrers im Mittelpunkt. Sie ist neben seiner
fachlichen und didaktischen Kompetenz eine berufliche Schlüsselqualifikation.
Darauf machen uns jeden Tag Klassen oder einzelne Schüler aufmerksam. Dies kann
sehr unangenehm, aber auch eine große Chance sein. Gerade schwierigen Klassen
zeigen uns, wo wir weiter wachsen müssen als Lehrer. Es geht dabei darum, die
Fähigkeiten zum personenorientierten Gespräch, unsere Möglichkeiten im Umgang
mit schwierigen Schülern und Klassen und unseren Handlungsspielraum in
schwierigen Situationen zu
erweitern.
Vor diesem
Hintergrund haben wir an unserer Schule eine Supervisionsgruppe eingerichtet. In
ihr beraten und unterstützen sich LehrerInnen gegenseitig bei Fragen und
Problemen beruflicher Art. Unser effektivster und persönlichster Beitrag zur
Persönlichkeitsentwicklung unserer SchülerInnen ist die Weiterentwicklung
unserer eigenen Persönlichkeit.
3.4.
Pädagogische Arbeitskreise und schulinterne Lehrerfortbildungen
(Schilf)
Die
Notwendigkeit einer sehr frühen wertorientierten Persönlichkeitsbildung wurde
uns durch die Auseinandersetzung mit Problemen in unseren Unterstufenklassen
klar. Wir nahmen dies zum Anlass, einen Arbeitskreis „Werteerziehung Unterstufe” ins Leben zu
rufen. An diesem Arbeitskreis nehmen alle KlassenlehrerInnen der Unterstufe
teil. Wer dazu nicht bereit ist, dem wird von mir keine Klassenleitung
übertragen. Diese Gruppe trifft
sich in vier- bis sechswöchigem Abstand und beschäftigt sich mit der Frage, wie
wir Werteerziehung in der Unterstufe ganz konkret realisieren können, also wie
ist z.B. umzusetzen: Wertschätzung des einzelnen, Aufmerksamkeit für den
einzelnen, Vertrauen, Ehrlichkeit, Gemeinschaftssinn.
Wir stießen
dabei schnell auf die Notwendigkeit, uns selbst besser zu schulen, um z.B. auf
sinnvolle Weise Stilleübungen, Phantasiereisen, soziale Spiele,
Kommunikationsübungen, Klassenrat (siehe unten) durchführen zu können. Dies
führte uns zur Einrichtung von schulinternen Lehrerfortbildungen (ein- bis
zweimal während eines Schuljahres, normalerweise zwei Tage während der
Schulzeit), an denen wir solche Übungen zunächst an uns selbst erleben und sie
dann auch praktizieren.
Eine
Fortführung dieser Arbeit findet im Arbeitskreis „Pädagogik Mittelstufe” statt,
an dem alle KlassenlehrerInnen der Mittelstufe teilnehmen. Hier geht es u.a. um
die Einführung einer Klassenleiterstunde, eine Weiterführung des Klassenrates,
die Schulung der KollegInnen in Beratungsarbeit und Gesprächsführung.
In beiden
Arbeitskreisen ist der kollegiale Austausch über aktuelle Entwicklungen und
Schwierigkeiten in den Klassen ganz wesentlich. Wir machen die Erfahrung,
gemeinsam an einem Strang zu ziehen und nicht als Einzelkämpfer allein auf
weiter Flur zu stehen. Das inspiriert, macht Mut und befreit von der unsinnigen,
aber oft lehrertypischen Vorstellung, man müsse immer alles im Griff und nur
keine Probleme haben, um vor sich und KollegInnen ein guter Lehrer zu sein.
3.5. Schule
als kulturelles Ereignis
Schülerinnen
und Schüler können auch außerhalb des Unterrichtes in den Bereichen von Sport,
Theater, Musik, Sprache, Kunst, Handwerk oder Medien ihre Begabungen und
Fähigkeiten entfalten. In kleinen Gruppen kann der Förderung der Jugendlichen
mehr Freiraum eingeräumt werden, als dies im regulären Unterricht der Fall ist.
Außerdem werden durch diese freiwilligen Unternehmungen die Beziehungen sowohl der SchülerInnen
untereinander als auch zwischen LehrerInnen und SchülerInnen vertieft; sie
werden lebendig und unkompliziert, Beziehungen von „Mensch zu Mensch”. Dies
bedeutet für die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer oft einen erheblichen
Arbeitsaufwand. Wir sind überzeugt, dass sich dies lohnt, und bieten daher jedes
Jahr über 40 Arbeitsgemeinschaften an.
Einen
besonderen Schwerpunkt bei den Arbeitsgemeinschaften bildet der
musisch-künstlerische Bereich, der unsere Schule in der Kulturstadt Dresden sehr
attraktiv macht. Neben dem musischen Profil in den Klassen 8 bis 10 gibt es auch
Leistungskurse in Musik und Kunst in der Oberstufe. Darüber hinaus wird in sehr
vielen Ensembles musiziert: Vororchester, Orchester, Vor-Big Band, Big Band,
Musical, Jazzchor, Singkreis, Musikkreis. Ebenso nehmen Theaterspiel, Tanz und
künstlerisches Gestalten einen wichtigen Platz im Schulleben ein. Diese Arbeit
bereichert unsere Schule auch durch eine große kulturelle Vielfalt: häufige
Theaterabende, Konzerte, Kunstausstellungen, Vorführungen unterschiedlichster
Art und Altersstufen sind fester Bestandteil unseres Schullebens. Wir sind
überzeugt, dass die intensive Förderung gerade der musisch-künstlerischen
Fähigkeiten der SchülerInnen ihre Sozialkompetenz wie auch ihre Fähigkeit zu
komplexer Arbeitsorganisation sehr fördert.
Die
SchülerInnen der Vinzenzkonferenz besuchen alte Menschen in einem Dresdner
Altersheim und gestalten Nachmittage mit ihnen. In der AG „Senioren ans Netz”
bringen Schüler älteren Leuten Internetkenntnisse bei.
In diesen
Zusammenhang gehören auch unsere Informatikabteilung, in der das Internet eine
sehr große Rolle spielt, und eine
staatliche Medienwerkstatt an unserer Schule für alle Schulen Dresdens. Daher
können wir auch sehr gut in eigenen Arbeitskreisen mit den modernen
Kommunikationsmedien arbeiten und die Angebote der Medienwerkstatt nützen.
Benno-TV und Benno On Air berichten in regelmäßigen Sendungen über die Schule,
greifen aktuelle Themen auf und helfen auch beim Einsatz im Unterricht.
Darüber
hinaus haben wir eine Kooperation mit der Universität Dresden, Fakultät
Informatik begonnen. Diese zielt auf die Förderung von begabten SchülerInnen ab,
die in der Oberstufe gleichzeitig in einem begrenzten Umfang Vorlesungen in
Informatik mit Mathematik und Logik hören können und so schon in ihrer Schulzeit
einen Zugang zur Universität erhalten, einschließlich der in dieser Zeit schon
erworbenen „Scheine“.
Wir
unterstützen diese Entwicklungen, damit die SchülerInnen diese Techniken
beherrschen können. Die Herausforderungen durch die neuen Medien sind aber nicht
technisch zu lösen, sondern sie verlangen den kommunikationsfähigen und
werteorientierten Menschen. Daher muss diese Ausbildung im Kontext unserer
pädagogischen Profilierung gesehen werden.
An diese
Stelle gehören auch unsere Schulpartnerschaften, durch die wir unsere Schüler
auf eine zusammenwachsende und nachbarliche Welt vorbereiten wollen. Die
konkrete Erfahrung anderer Kulturen und Mentalitäten hilft, Grenzen abzubauen,
Ängste zu überwinden und die eigene Enge zu sprengen. Menschen kennenzulernen,
Fremde zu schätzen, neue Freundschaften zu entwickeln, das erst lässt unsere
Welt zusammenwachsen. Auch der Austausch von Lehrern wird allmählich entwickelt.
Wir pflegen Partnerschaften mit folgenden Schulen: - Harishonim High School in
Herzliya, Israel (jüdisch-israelisch) - Comprehensive School Alef in Shfar-Am,
Israel (arabisch-israelisch) - Lysée Sainte-Marie in Beaucamps-Ligny, Frankreich
- Farnborough Hill in Hampshire, England - Amtsgymnasiet Odder, Dänemark -
Atlanta International School, USA - Katholisches Lyzeum in Cieszyn, Polen - den
Kontakt mit einer indischen Schule in Bangalore haben wir gerade
hergestellt.
3.6.
Erzieherische Prozesse
Die gesunde
und positive Atmosphäre in einer Klasse und das soziale Miteinander der
Schülerinnen und Schüler geben dem Einzelnen Sicherheit und bilden die
Voraussetzung einer guten und gesamtmenschlichen Entwicklung.
Wenn diese
Grundatmosphäre nicht stimmt, ist die persönliche Entwicklung behindert oder gar
gestört. Eine wohlwollende und konstruktive Umgebung dagegen stützt den
einzelnen und fördert altersentsprechende Wachstumsprozesse und die
Persönlichkeitsentwicklung. Immerhin verbringen unsere Schülerinnen und Schüler
acht Jahre ihrer gymnasialen Schulzeit in einem bunt zusammengewürfelten
Klassen- und Kursgefüge. Mit einem „Appell an die Einsicht” wird solch eine
konstruktive Umgebung heute nur noch schwerlich erzeugt, wir müssen diese
Umgebung für die Schüler schaffen.
3.7.1.
Morgenkreis
Montagmorgen,
erste Stunde: es ist unsere Erfahrung, dass der Einstieg in die neue Schulwoche
oft durch „Wochenendreste”
blockiert ist. Um solche Blockaden zu lösen, führten wir in der Unterstufe den
Morgenkreis ein, so wie er im Marchtaler Plan entwickelt wurde. Der jeweilige
Klassenlehrer gestaltet diese erste Schulstunde der neuen Woche meditativ oder
kommunikativ in Gesprächsrunden. Wir erleben den Morgenkreis sehr hilfreich und
entwickeln derzeit altersadäquate Formen für die
Mittelstufe.
3.7.2.
Klassenrat
In den
Klassen der Unterstufe haben wir begonnen, den sogenannten „Klassenrat”
einzuführen. Der Klassenrat ist ein demokratisches Gruppengespräch, das nach
bestimmten Gesprächsregeln verläuft. Schüler und Klassenlehrer beschäftigen sich
mit Problemen, Konflikten oder sonstigen Anliegen ihrer Klasse.
Die
Schülerinnen und Schüler bilden in ihrem Klassenzimmer einen Stuhlkreis, damit
sie sich gegenseitig anschauen und so jeder zu jedem sprechen kann. Jeder
Schüler hat die Möglichkeit, im Klassenrat einen Vorschlag zu machen, eine
Arbeit vorzustellen, ein Anliegen oder Problem zu besprechen, das mit der
Klasse, mit einzelnen Mitschülern oder mit Lehrern zu tun hat. Dazu trägt er vor
dem Klassenrat sein Anliegen und seinen Namen in ein „Klassenratsbuch” ein und
in der Reihenfolge der Eintragungen werden die eingebrachten Beiträge
besprochen. Allerdings kann ein Problem nur mit dem Einverständnis des
Betroffenen besprochen werden. Um die Gesprächsbeiträge im Stuhlkreis zu
koordinieren, wurde als Regel eingeführt, dass nur der sprechen darf, der den
sogenannten „talking stick” (Redestab) in der Hand hält. Dieser „talking stick”
ist ein sichtbarer Gegenstand (z.B. ein Stück Holz), der an den weitergegeben
wird, der als nächster sprechen möchte.
Im
Klassenrat besteht Gleichwertigkeit zwischen allen Teilnehmern, auch zwischen
Lehrern und Schülern. Ergebnisse können nicht durch Abstimmung, sondern nur
durch Einigung erzielt werden. Kann auf diesem Wege keine Lösung erreicht
werden, muss das Problem beim nächsten Mal erneut besprochen werden. Ergebnisse
solcher Besprechungen werden abschließend entweder in einem Protokollheft oder
im Klassenratsbuch festgehalten.
Die
Teilnahme ist freiwillig, so dass derjenige, der an diesem Gespräch nicht
teilnehmen möchte,
sich
außerhalb des Stuhlkreises setzt und sich mit einer Stillaufgabe beschäftigt.
Hier wird Gewalt- und Konfliktpotential in sinnvoller Weise abgearbeitet.
Geschieht dies nicht, führt es zu Zuständen, die auch in Deutschland zunehmen
und die wir nicht wollen. Der Klassenrat ist nicht zuletzt auch eine
Möglichkeit, dass junge Menschen zu aufrichtigen und mündigen Demokraten
heranwachsen.
3.7.3.
Zeiten der Orientierung
Wir machen
die Erfahrung, dass wir den Schülern zur Entwicklung einer guten
Klassenatmosphäre auch ausdrücklich Zeit einräumen müssen: Zeit, in der die
Jugendlichen bewusster lernen, miteinander umzugehen anstatt sich aus dem Weg zu
gehen; in der sie die Wirkungen ihres Verhaltens erfahren; in der sie üben, bei
aller Unterschiedlichkeit achtungsvoll miteinander zu reden; in der sie das
Zusammenleben miteinander aushandeln; in der sie lernen, ihre eigenen Interessen
zu vertreten, ohne die des anderen geringzuschätzen. Dies verlangt eine bewusste
Auseinandersetzung und kann nur in intensiveren Prozessen geschehen, die sich
über längere Zeit hinziehen.
Es sind
„Zeiten der Orientierung”, in denen nicht Wissensstoff im Mittelpunkt steht,
sondern der einzelne Mensch und die Klassengemeinschaft. Die jeweilige Klasse
trifft sich während der Unterrichtszeiten mehrmals in drei bis vier
zusammenhängenden Unterrichtsstunden außerhalb des Klassenzimmers, um Konflikte
oder aktuelle Probleme im Umgang miteinander zu bearbeiten.
3.7.4.
Religion und Religiöses
Wir bieten
nur Religionsunterricht (auch den Leistungskurs in Religion) an, keine Ethik.
Alle, auch die konfessionslosen SchülerInnen, müssen sich für den katholischen
oder evangelischen Religionsunterricht entscheiden. Gerade mit den älteren
Quereinsteigern wird dies in den Aufnahmegesprächen ausführlich besprochen.
Wir haben
einmal einen Grundkurs für Konfessionslose eingerichtet zusammen mit einigen
katholischen Schülern. Das hat sich nicht bewährt, weil eine Streuung besser
ist, da dadurch das Gespräch intensiviert wird. Die Konfessionslosen werden von
den Religionslehrern als Bereicherung empfunden, weil sie Fragen stellen, die an
den Kern gehen. Sie sind sehr aufgeschlossen, erleben hier bei uns eine ganz
andere Schulwirklichkeit, was sie bis in Klausuren hinein formulieren. Teilweise
gehen sie mit ihren christlichen Mitschülern in die Jugendgruppen der Pfarrei.
Für viele ist es – wie auch für ihre Eltern – die erste Begegnung mit Kirche und
Christen.
Für die
konfessionslosen SchülerInnen der Klassen 5 und 6 werden zusätzlich zum
Religionsunterricht mehrere Nachmittage und Wochenenden gestaltet, um sie mit
den Grundstrukturen und Vollzügen des christlichen Glaubens bekannt und vertraut
zu machen. Dazu später mehr.
Die
religiösen Elemente im Schulleben sind: die tägliche Morgenbesinnung zum Beginn
der ersten Stunde in allen Klassen und Kursen, der Morgenkreis am Montag in der
ersten Stunde in den Klassen 5-7 mit dem Klassenlehrer, verschieden
Gottesdienste mit der gesamten Schule während des Schuljahres, eine wöchentliche
Eucharistiefeier in unserer Hauskapelle. Etwa 20 Schüler der Oberstufe treffen
sich jeden Tag in der Pause um miteinander in der Bibel zu lesen und sich
darüber auszutauschen.
Eine
wichtige Person an der Schule ist der Schulseelsorger. Seine Präsenz im Haus,
seine offene Tür, seine Anwesenheit bei den Notenkonferenzen, seine religiösen
Impulse zu Beginn der Lehrerkonferenzen machen das religiöse Leben im Alltag der
Schule auch an einer Person fest. Er koordiniert und kümmert sich mit den
KollegInnen um die religiösen Angebote. Er steht als Gesprächspartner für
Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen zur Verfügung. Auch die von ihm betreuten
CLC-Jugendgruppen bestehen größtenteils aus unseren
Schülern.
Besondere
religiöse Ereignisse sind die Besinnungstage:
Die
SchülerInnen der Klassenstufe 10 verbringen drei Tage in der Karwoche in
Klöstern, Exerzitien- und Jugendhäusern in der Umgebung von Dresden. In kleinen
Gruppen setzen sie sich mit Themen auseinander, die für das Gelingen von Leben
wichtig sind; Fragen zur persönlichen Identität, zur Selbstfindung als Mann oder
Frau, zur Gestaltung von partnerschaftlichen Beziehungen, zu unterschiedlichen
religiösen Themen werden
miteinander besprochen und auf ganzheitliche Weise bearbeitet. Diese Tage werden
meist sowohl für die Einzelnen als auch die Gemeinschaft sehr bereichernd
erlebt. Sie finden bewusst außerhalb der Schule statt und werden von LehrerInnen
vorbereitet und begleitet.
Für die 12.
Klassenstufe (Abitur) bieten wir
für interessierte Freiwillige sogenannte „Abi-Exerzitien” an. Sie wollen die
SchülerInnen auf der Suche nach ihren persönlichen Lebensperspektiven über die
Schule hinaus unterstützen und auf ihrem eigenen Weg
stärken.
Für die 11.
Klassenstufe gibt es die Möglichkeit, freiwillig am „Komm-und-Sieh-Kurs”
teilzunehmen. In sechswöchigen „Exerzitien im Alltag” setzen sich SchülerInnen
mit Lebens- und Glaubensfragen auf ganz persönliche Weise auseinander. Abschluss
dieser Zeit bildet eine Besinnungswoche in Assisi. Dieser Kurs soll helfen, die
Chance menschlicher und religiöser Reifung in den Begegnungen und Ereignissen
des Alltags zu entdecken. Er zielt nicht zuerst auf die Vermittlung von
Theologie- und Glaubenswissen, sondern auf Erfahrungen des Glaubens, die ihn
wieder ins alltägliche Leben integrieren. In diesem Sinne sind die Jugendlichen
eingeladen, zum „Komm- und Sieh- Kurs” zu „kommen”, um dann ihre Erfahrungen zu
deuten, d.h. zu „sehen”. Mitten in
ihrem Arbeits- und Schulalltag setzen sich junge Menschen also mit
existentiellen Lebensfragen auseinander und suchen nach einer Orientierung und
Vertiefung ihres persönlichen religiösen Lebens. Alltags- und
Glaubenserfahrungen zusammenzubringen ist das spezifische Anliegen dieses
Weges.
Diese
Erfahrungen der SchülerInnen waren für mehrere Kolleginnen und Kollegen so
ermutigend, dass sie sich im Herbst letzten Jahres ebenfalls in einer Gruppe auf
den Weg machten und religiöse Zeiten im Alltag und geistliche Tage in Assisi in
den Herbstferien miteinander verbrachten. Aus dieser Gruppe ist nun eine
Gebetsgruppe von Lehrern entstanden.
Unsere
Erfahrung zeigt, dass alle diese Zeiten
wirklich persönlichkeitsbildende Prozesse in Gang setzen und in Gang
halten. Sie sind für uns unverzichtbar, wenn es darum geht, Wertorientierung und
Lebenswissen zu vermitteln, zu einem selbstbewussten und aufrichtigen Leben zu
befähigen und die tieferen Dimensionen des Lebens zu
erschließen.
Da wir nicht
mehr von einer religiösen Sozialisation in Familie und Gesellschaft ausgehen
können, brauchen wir in vielfacher Weise ganzheitliche Angebote, die die
SchülerInnen christlichen Glaubensvollzug und christliche Religion sinnenhaft
erfahren lassen. Der „Ort” religiöser Erziehung ist nicht der Kopf, sondern das
Herz.
Hinsichtlich
religiöser Erziehung gilt darüber hinaus das gleiche wie in allen
Erziehungsfragen. Das punktuelle Erlebnis führt nicht zur inneren
Auseinandersetzung mit Lebenseinstellungen oder gar zur Aneignung einer solchen.
Es ist die kontinuierliche Beschäftigung, die eine Vertiefung oder dauerhafte
Aneignung von Lebenseinstellungen bedingt. Nur ein prozesshafter Weg führt vom
(punktuellen) Erlebnis zur dauerhaften Bindung; zumal in einer Zeit, die geprägt
ist von Beziehungs- und Bindungslosigkeit.
3.7.5.
Workshop mit konfessionslosen Kindern
Viele
konfessionslose Eltern haben ihr Kind bewusst an unser Gymnasium als christliche
Schule gegeben. Einer der Gründe ist sicher unser zentrales Anliegen, die Kinder
und Jugendlichen als einmalige Persönlichkeiten wert zu schätzen. Dazu gehört
ganz wesentlich, den sich entwickelnden jungen Menschen in unserer pluralen
Gesellschaft Orientierung zu geben, die sie in die Lage versetzen, das eigene
Leben besser zu gestalten. Dies kommt auch bei den Aufnahmegesprächen häufig
deutlich zum Ausdruck.
Damit
bei den konfessionslosen Kindern nicht
zu vieles fremd und unverständlich bleibt, haben wir überlegt, mit den
bekenntnislosen Kindern neben dem regulären Unterricht Nachmittage zu gestalten,
um anhand des Jahreskreises wichtige christliche Grundbegriffe und Erfahrungen
zu vermitteln. Es handelt sich dabei um eher spielerische Formen des Vorstellens
christlicher Grundbegriffe.
Etwa
alle drei Wochen trifft sich nun eine Gruppe von SchülerInnen der 5. und 6.
Klassenstufe zu kreativen Nachmittagen. Das Programm orientiert sich am
Jahreslauf und beleuchtet Stück für Stück die einzelnen Festzeiten. Dies wird so
gestaltet, dass es sich vom Unterrichtsalltag deutlich abhebt. Dabei nehmen wir
uns viel Zeit zum Erzählen über Alltägliches aber auch mehr und mehr über Fragen
religiöser Natur. Offensichtlich empfinden die Kinder diese Gruppe als einen
“geschützten Raum”, in dem sie sich Fragen zu stellen trauen, die sie im
Unterricht so nicht stellen würden.
Wir
haben auch von einigen Eltern viel Unterstützung und Ermutigung bekommen, mit
dieser Form von Gruppenarbeit fortzufahren, weil es den Kindern einfach gut
getan hat.
3.8.
Eltern
Zum
Abschluss will ich noch ein paar Bemerkungen zu den Eltern machen. Die kommen
hiermit relativ kurz weg und das ist nicht richtig so. Andererseits haben wir
hier noch nicht viel entwickeln können, denn wir feiern jetzt erst unser
10-jährigs Jubiläum. Im Schuljahresverlauf findet bei uns in Zusammenarbeit mit
der Katholischen Akademie regelmäßig das „Elternforum” statt. Es handelt sich
dabei um Vortragsabende zu Themenkreisen, die Schule und Elternhaus gemeinsam
betreffen, wie Hintergründe zur Drogenproblematik, zu Gewalt, zu Perspektiven
Jugendlicher heute, ihren Lebenswelten, aber auch zu theologischen Fragen.
Darüber hinaus haben wir einen „Elterngesprächskreis”, dessen Ziel der Austausch
und das Gespräch zu pädagogischen Fragen und Themen ist, die die Eltern selbst
beschäftigen. Dieser Kreis ist auch ein gutes Bindeglied zwischen Eltern und
Schule: es kann manches besprochen werden, was an Elternabenden für die
jeweiligen Klassen keinen Raum findet.
Ich möchte
einfach noch ein Problem anreißen, aber ich weiß nicht, ob es nur für unseren
ostdeutschen Raum bezeichnend ist. Aufgrund der schlechten Beschäftigungslage
haben viele Eltern keine Zeit mehr für ihre Kinder. Sie versuchen dies aus
schlechtem Gewissen den Kindern gegenüber auszugleichen durch materielle Dinge
oder durch einseitige Stellungnahme immer zugunsten ihrer Kinder. Sie sind damit
aber keine Partner in dieser Arbeit der Persönlichkeitsentwicklung. Manche
Eltern sind überfordert, wenn sie Stellung beziehen sollen in der
Wertediskussion. Ganz deutlich wird dies in der Drogenfrage, die ein immer
größeres Problem wird, und wo von Elternseite eine große Hilflosigkeit
vorherrscht. Die Frage, welche Rolle die Eltern im Entwicklungsprozess in der
Schule spielen können und sollen, müssen wir noch sehr intensiv bearbeiten. Allein die Betonung des
Vorranges des Elternrechtes nützt nicht viel, wenn man die vielen Probleme in
den Familien und die vielen Problemfamilien sieht.
4. Schluss
Nun bin ich
am Ende. Ich habe vieles benannt, was Sie an Ihren Schulen genau so, anders,
oder besser machen. Ich habe ihnen manche Schritte auf unserem Weg vorgestellt.
Wir werden sie weiterentwickeln und es werden sich uns neue Schritte zeigen, die
wir sinnvollerweise gehen müssen. In der Auseinandersetzung mit den Fragen nach
einer guten katholischen Schule, die den Erfordernissen der Zeit gerecht zu
werden versucht, wurde und wird uns immer deutlicher, dass wir Mut zu solchen
Wegen brauchen. Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass Kommunikation und
Kooperation oder Mitverantwortung und Selbständigkeit in einer Klasse einfach so
gegeben sind oder sich entwickeln werden. Wir können auch nicht mehr davon
ausgehen, dass die Kinder sozusagen schon von alleine oder in den Familien zu
gefestigten Persönlichkeiten heranreifen. Wenn uns die Zukunft und das Leben
unserer Kinder am Herzen liegen, kann es uns nicht gleichgültig sein, was in
dieser Hinsicht geschieht oder nicht. Als christliche Schule haben wir hier eine
besondere Verantwortung.
Wir bereiten
Kinder auf ein Leben vor, das keiner von uns sich eigentlich vorstellen kann.
Das ist eine große Herausforderung. Wir brauchen dazu Idealvorstellungen, an
denen wir uns immer neu ausrichten. Wir brauchen diese Visionen, weil ja der
schulische Alltag sehr stark die Tendenz hat, die Dinge zu nivellieren, was
letztlich alle unzufrieden sein lässt. Wir haben die eigentlich großartige Idee
einer katholischen Schule als einer Gemeinschaft von Menschen, die sich von Gott
geliebt und erlöst wissen, und daher entsprechend miteinander umzugehen
versuchen, auch wenn sie sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen haben. Wir
"machen" diese Schule nicht hoppla hopp; es ist ein mühseliges Geschäft. Aber
wir können zuversichtlich sein, weil bei allen Ungewissheiten das Fundament, auf
dem wir letztlich stehen, im Bemühen auch immer deutlicher wird. Dieses
Fundament ist einzig und allein der liebende Gott, der jeden von uns aus Liebe
geschaffen hat, bedingungslos bejaht, und seine unverlierbare Würde zuspricht.